2011/09/02

[Platten] Talking To Turtles -Oh, The Good Life

Bei einem Blick auf das Cover von Talking To Turtles‘ aktuellem Album „Oh, The Good Life“ könnte man glatt auf die Idee kommen, dass hier eine weitere Band aus dünn besiedelten amerikanischen Staaten einer in der Waldhütte aufgenommenen Folk-Platte, die den perfekten Soundtrack für den Herbst bieten könnte, den Weg in die Plattenregale gebahnt hat. Mit diesen ersten Annahmen liegt man nur teilweise ziemlich daneben.

Die aus Claudia Göhler und Florian Sievers bestehende Band kommt nämlich zwar aus Berlin, hat aber nach dem Erfolg ihres Debüts „Monologue“ für den Zweitling auf illustre Beihilfe zugreifen können. Ein wenig Namedropping gefällig? Aufgenommen wurde „Oh, The Good Life“ zum Teil in den Avast!-Studios in den Seattle, in denen schon Bands von Soundgarden bis The Shins ihre Platten einspielten, gemischt wurde das Ganze von Eric Corson, dem Bassist der Long Winters, und das Mastering erfolgte durch Doug Van Sloun in Omaha im Staate Nebraska  wo der findige Indie-Kenner natürlich den Dunstkreis des Saddle Creek-Labels (Bright Eyes, Cursive, etc) erschnuppert.
Dabei herausgekommen ist ein wunderbares musikalisches Kleinod, welches den internationalen Vergleich nicht zu scheuen braucht. Die Mischung aus Lo-Fi-Tracks und zurückhaltendem Bombast, der oft und gerne in den Songs angebrachte Wechsel zwischen laut und leise sowie der Kontrast von verschrobenen und poppigen (im besten Sinne!) Melodien hat zwar nicht gerade das homogenste Album hervorgebracht, das man sich vorstellen kann – aber homogen ja gerne auch mal langweilig bedeuten kann, muss das bei diesem Album durchaus nichts Schlechtes bedeuten. Im Gegenteil, „Oh, The Good Life“ wirft mit potentiellen Hits nur so um sich. Gleich der zweite Track „Crumbs“ erweist sich als einer der Höhepunkte des Albums, schmeichelt sich zurückhaltend mit Gitarre und zweistimmigem Gesang in die Gehörgänge um im Refrain lauter zu werden und das Laut-Leise-Spielchen über den ganzen Track nur allzu gewinnbringend auszunutzen.  Bei „Wonky Cradle“ erinnert nicht nur Sievers‘ Gesang an Conor Oberst und das darauf folgende „Grizzly Hugging“ verzaubert mit Glockenspiel und einer scheinbaren Hommage an die Shins. In „Men In Trees“ wird aus der Sicht einer Katze gesungen… - Moment, sowas gab es doch schonmal! Selbst wenn man sich dieses Konzept von gewissen kanadischen Indie-Helden abgeschaut haben mag, so muss sich der euphorische Indie-Pop, der in diesem Song zelebriert wird, keinesfalls hinter den Weakerthans verstecken. Die Antithese dazu bildet „Short Stories Long“, welches klingt wie in einer Wohnung aufgenommen (was es übrigens auch ist), inklusive konstantem, aber nicht störendem Rauschen im Hintergrund und zweistimmigem Gesang, den man in dieser Form so nicht oft zu hören bekommt (nämlich von Wort zu Wort abwechselnd) und welches einem in der zweiten Hälfte des Albums gleichsam die Möglichkeit zum Aufatmen gibt.

Allen großartigen Liedern eine ausführlichere Beschreibung zuzugestehen würde den Rahmen dieser Rezension wohl sprengen, wirkliche Schwachpunkte hat dieses Album nämlich keine. Ein bisschen schade ist zwar dann doch, dass man einen roten Faden nicht so wirklich heraushören kann, aber das schmälert den Hörgenuss dann doch nur geringfügig. In Qualität und Potential stehen Talking To Turtles mit dieser Platte den oben angeführten Indie-Bands jedenfalls in nichts nach. Und auch wenn „Oh, The Good Life“ spät in einem Sommer herauskam, der keiner war, so sollte sie auch problemlos den Übergang in den Herbst überstehen können und dann hoffentlich den einen oder anderen Hörer sehr glücklich machen.

9/10

www.talkingtoturtles.de

VÖ: 19.8.2011 über Devil Duck Records/Indigo





Talking To Turtles sind im Herbst 2011 auch auf Tour! Termine gibt es auf der Homepage! 




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