Ich stecke Musik gerne in Jahreszeiten-, Städte- und Tageszeitenschubladen. „Another City, Another Sorry“, das Erstlingswerk von The Answering Machine, war die Platte für einen Sommerabend in London. Junge hippe Menschen in Röhrenjeans sitzen drinnen wie draußen in den unzähligen Pubs in Camden, trinken ein Bierchen und warten bei untergehender Sonne und warmen Temperaturen darauf, die Clubs des Stadtteils zu stürmen.
Das war „Another City, Another Sorry“. In welche Jahreszeiten-, Städte- und Tageszeitenschublade ist nun “Lifeline” zu stecken? Der Sommerabend fällt schon mal weg. Die Songs strotzen nicht mehr so vor Optimismus und sind deutlich nachdenklicher geworden. Das Tempo wurde gedrosselt. Nennen wir das ganze also eher mal herbstlich. Als Stadtschublade wäre Berlin zu wählen. Draußen fallen die Blätter von den Bäumen und die Berliner (die mindestens genauso hip sind, wie die Menschen in Camden) sitzen in den gemütlichen Cafés in Friedrichshain und wärmen sich an einer heißen Schokolade. Also ist „Lifeline“ nun die Platte für einen Herbstnachmittag in Berlin.
Man merkt The Answering Machine ihre Weiterentwicklung an. Sie sind erwachsen geworden. Wer die Band wegen ihres Indie-Pop mit akutem Hang zur Tanzfläche geliebt hat, wird sich am neuen Album vielleicht erst etwas stören. Aber wer von einer Band nicht immer das Gleiche erwartet und Experimentierfreudigkeit und Weiterentwicklung schätzt, wird „Lifeline“ schnell ins Herz schließen.
Der Opener steht repräsentativ für den neuen Sound der Band. Es ist vorbei mit den Liedern, die sich nach dem ersten Hören gleich in den Hörgang einbrennen. Es wird experimentiert und auch nach mehrmaligem Hören sind neue spannende Elemente zu entdecken. „My little navy sailing away / essentially lost in iceburgs and hours / along with my plans that fade with the day / will you stay?”. „My Little Navy“ beginnt behutsam und die Stimme von Martin Colclough klingt fast schon verletztlich. Zur Mitte des Songs hin steigert sich jedoch die Intensität, die in einem überraschenden instrumentalen Abschnitt ihren Höhepunkt findet.
„Lifeline“ fällt dann durch sein gesteigertes Tempo fast schon aus dem Raster, aber der vielschichtige Sound, der durch Synthesizer unterlegt wurde, lässt dieses Stück in das Konzept des Albums zurückkehren. Die Menschen in dem Friedrichshainer Café werden dabei unzweifelhaft mit den Füßen wippen und sich vielleicht schon über die Abendplanung Gedanken machen. Mit „Animals“ folgt ein Song mit dem gleichen Ansatz, jedoch noch ein Stück atmosphärischer und verträumter.
Bei „3 Miles“ wird deutlich, dass die Vielfalt an Instrumenten eine wesentliche Rolle in den Aufnahmen zu „Lifeline“ gespielt hat. Hier in Form eines Mellotrons. Die vielleicht nicht ganz alltäglichen Instrumente und Töne werden dort eingesetzt wo nötig und wirken nie deplatziert, sondern sind passende Ergänzungen. Und da ist der Herbst dann auch in lyrischer Form: „A somewhat different kind of autumn / And I can’t help but feel inclined“. „Romantic And Square“ setzt textlich das um, was musikalisch vorgegeben ist. Und auch hier kommt mit der Melodica ein nicht alltägliches Instrument im Chorus zum Einsatz. „Anything, Anything“ wartet dann mit einer traurigen Geschichte auf und dies spiegelt sich dann auch in der melancholischen und bedrückten Grundstimmung des Songs wieder. Der gelungene Kontrast zu „Another City, Another Sorry“, welches eigentlich nur positivistische Songs beinhaltete.
Auch die restlichen Tracks, nennen wir sie mit „Hospital Lung“, „Rules“, „Video 8“, „So Alive“ und „The End“ (wird übrigens von Bassistin Gemma gesungen) beim Namen, schwimmen im selben Fahrwasser und passen allesamt in das Konzept “Lifeline”. Weg von der Tanzfläche und hin zum nachdenklichen Midtempo-Song mit einer Vielfalt an Instrumenten, Experimenten und tollen Lyrics. Es ist Zeit vergangen seit „Another City, Another Sorry“ und The Answering Machine sind mitgegangen. Sommer und Herbst sind abgedeckt. Was jetzt wohl als nächstes kommen mag?
8/10
www.theansweringmachine.co.uk
VÖ: 21.02.2011 über Heist Or Hit Records
"The Information" ist zwar auch fabelhaft und eines der langsameren, nachdenklicheren Lieder auf "Another City, Another Sorry", das textlich und melodisch (instrumental will ich mich da nicht festlegen)auch auf "Lifeline" passen würde, aber wie gesagt ist es auf der ersten Platte.
AntwortenLöschenWahrscheinlich hast du dich nur vertan und wolltest eigentlich "The End" schreiben. Ist übrigens einer meiner Lieblinge auf "Lifeline" und wie ich finde, ein gelungener Abschluss.
LG
Magdalena
Danke für den Hinweis - wurde soeben korrigiert :)...
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