Ungewöhnlich mild ist es an diesem Sonntagabend im Januar. Wenn man es auf eine Erkältung ankommen lassen wollte, hätte man auch im T-Shirt in der langen Schlange vor dem Offenbacher Capitol stehen können. Eine Schlange, die eher eine Anaconda als an eine heimische Blindschleiche erinnert (ja, ich weiß Blindschleichen sind keine Schlangen, aber ein toller Vergleich ist es trotzdem). Lang und mächtig.
Das Capitol ist eine der schickeren Konzertlocations im Großraum Frankfurt/Offenbach. Hier könnten und werden Musical und Theater zelebriert und keine Clubkonzerte in Winzformat. Dafür war heute aber auch niemand gekommen, denn die
Musik von Philipp Poisel hört man auch nicht im schwitzenden Menschenknäuel, sondern am Besten daheim im kuscheligen Sofa vorm flackernden Kamin.
Genau aus diesem Grunde war der Schreiber dieser Zeilen auch eher kritisch was die Größe des Veranstaltungsortes anbelangte. Denn eine Venue mit Platz für knapp 1800 Gäste gilt als Antithese für eine intime Atmosphäre. Dem überwiegend weiblichen und im Altersschnitt recht jungem Publikum war das egal und auch Promis wie etwa Henni Nachtsheim von Badesalz zog es über den Main.
Unterstützt wird der Herr Poisel von den beiden Einzelkünstlern Alin Coen und Florian Ostertag, die ich jedoch beide verpasse. Rechtzeitig zu Beginn des Konzertes werde ich in einer sehr überschaubaren Gruppe an Fotografen von der Security an den vermeindlich besten Platz im Publikum gelotst.
"Für keine Kohle dieser Welt". Philipp Poisel betritt die Bühne und das Publikum kreischt seine Freude in spitzen Schreien auf die Bühne. Symphatisch, fast schon schüchtern, kommt er rüber und legt mit genau mit dem los für das alle hier gekommen sind. Romantische Lieder, die teilweise schon etwas zu sehr von klebrigen Zuckerguß tropfen. "Ich und Du", "Im Garten von Gettys", "Zünde alle Feuer", "Halt mich" und "Froh dabei zu sein" gehen runter wie Öl.
Begleitet von einer vierköpfigen Band erkennt man schnell das Philipp einige Zeit
als Straßenmusiker unterwegs war. Ebenso lange wie verlegene Ansagen an das Publikum und Songs, die trotz Bekanntheit schon fast Jam-charakter haben. Das macht wirklich Spass.
"Zünde alle Feuer", "Zwischen Innen und Außen", "Wo fängt dein Himmel an", "Wie soll ein Mensch das Ertragen" "Mit jedem deiner Fehler". Die Hitdichte ist hier gefährlich hoch. Bei "Hab keine Angst" gibts gesangliche Unterstützung von Alin Coen und mit "Einfach so" auch mal einen (vermeintlich) neuen Song, der ein ungewöhnlich schnelles Tempo anschlägt.
Weggeblasen sind die Zweifel, das das Konzert nicht gut geht. Während der Ansagen ist das Publikum still wie ein Badestrand im Winter. Das merkt man aber auch nur, weil die ersten Akkorde der ruhigen Lieder einfach vom Jubel weggeblasen werden. Ja, die Band hat Offenbach auf ihrer Seite. Schließlich endet der reguläre Teil mit "All die Jahre" was mit einem sehr langem instrumentalen Outro abschließt.
Als Zugabe gibt es die "Liebe meines Lebens" und den immer wieder explodierenden Übersong "Als gäb's kein morgen mehr". Das Publikum will mehr, also spielt er "Ich will nur" und als allerletzten Song, das Live-Only-Lied "Herr Reimer".
Als das Saallicht angeht sind fast zwei Stunden vergangen. Zwei Stunden, die von meiner Begleitung als ein Konzert "mit ein bisschen viel Liebesliedern" bezeichnet wird. Da hat sie recht. Aber genau das wollen die Leute von Philipp Poisel hören. Das ist sein Geheimnis, das voll aufgeht, was die ausverkaufte Tour eindrucksvoll belegt. Die Tour eines Künstlers, der zwar im Mainstream segelt, aber den Eindruck vermittelt, dass er garnicht weiß wie er dort hingekommen ist.
Alle Fotos: Florian Grünert
Nice!
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