Erfahrungsgemäß findet der größte Stilsprung im Schaffen einer Band zwischen dem ersten und zweiten Album statt. Idealerweise hat man mit dem Debüt, oft roh und wie direkt von der Leber runter geschrieben, den Durchbruch geschafft und versucht sich bei der zweiten Scheibe an dickerer Produktion, ausgefeilterem Songwriting und überhaupt will man der Welt mit sämtlichen zur Verfügung stehenden Mitteln beweisen, dass der erste Erfolg kein reiner Glücksgriff war. Bei Cargo City hat dieser Schritt allerdings ohrenscheinlich zwischen dem Zweitling und Drittling stattgefunden.
Man könnte natürlich die Vermutung anstellen, dass das daran liegt, dass Cargo City zu Beginn ein reines Soloprojekt von Simon Konrad waren und die vier Musiker, die er sich live zur Unterstützung dazu holte, erst nach dem ersten Album fester Bestandteil der Band wurden. Mit der zweiten Scheibe „On.Off.On.Off.“ folgte dann die Beachtung durch eine breitere Masse und die Beteiligung am Soundtrack zu einem deutschen Kinofilm. Das darauffolgende Album würde also mehr oder weniger zur Bewährungsprobe vor einem gespannten Publikum werden.
Bei „Dance/Sleep“ braucht man allerdings mehrere Hördurchgänge, bis man so wirklich weiß, was man davon halten soll. Es war zu erwarten, dass Cargo City die Singer-Songwriter-Anfänge, zumal eben nun in Bandkonstellation, irgendwann hinter sich lassen würden und sich unter den Augen und Ohren einer größeren Zuhörerschaft auch einem größeren Sound zuwenden würden. Umso, nun ja, verstörender ist es dann, dass der erste und titelgebende Track auf dem Album sich nicht sofort mit einer eingängigen Pop-Melodie anbiedert, sondern mit eher düsteren Tönen beginnt – die bedrohliche Stimmung entlädt sich dann aber in einem dann doch sehr poppigen Refrain, bei dem man ohne schlechtes Gewissen an Snow Patrol und ähnliche Größen erinnert werden darf. Das darauffolgende „Not Like Us“ ist komplett von einer melancholischen Grundstimmung getragen, welche gegen Ende des Liedes in einer wunderschönen, knapp einminütigen Instrumentalbrücke (inklusive Orgel und Streichern) kulminiert. Der dritte Track mit dem großartigen Titel „Let’s Fail In Love“ verweigert sich dann wieder einer weichen Eingängigkeit und kommt lieber mit einem zweistimmig ausgetragenen Duell um das große Thema mit dem großen L daher.
Auch „The Choir“ stellt eher eine ungünstige Begleitung für einen fröhlichen Sommerabend dar und wenn man nun so langsam denkt, dass „Dance/Sleep“ lieber am Anfang eines düsteren, kalten Herbstes hätte veröffentlicht werden sollen, schlägt das verspielte „Julian“ der bislang vorherrschenden Melancholie kurz ein Schnippchen, um bei „Walk Over The Alps“ wieder auf das Rezept „düsterer Anfang, hoffnungsvoller Refrain“ zurückzugreifen. Mit „Smile At Me“ und „The Tale Of The Careless Man“ werden dann Tempo und Lautstärke runtergeschraubt, um mit „All That You Need“ einen Titel rauszuhauen, der es irgendwie schafft, sich einer besonders eingängigen Melodie zu verweigern und trotzdem astrein tanzbar zu sein. Mit dem letzten, Weltuntergangstimmung erzeugenden „Life In Reverse“ wird wieder der Albumtitel aufgegriffen – während man im ersten Lied allerdings noch „I lay back to watch her dance while I sleep“ sang, bekommt man hier unter anderem „You only sleep with the bible in your right hand, you only dance with the bottle in your left hand“ vor den Latz geknallt – nicht unbedingt die Zeilen, die Optimismus suggerieren.
Sucht man nun nach musikalischen Kleidungsstücken, mit denen man „Dance/Sleep“ zusammen in eine Schublade legen kann, muss man wohl vor allem an Conor Obersts Bright Eyes denken – sowohl in gutem wie in schlechtem Sinne. Positiv fällt einem der Ideenreichtum und die musikalische Vielfalt auf, der diese Platte trägt, neutral kann man einen eher schwermütigen Ton feststellen, der sich durch das ganze Album zieht. Schade ist allerdings, dass sich Konrad, der sonst immer eine sehr angenehme Singstimme hatte, auf „Dance/Sleep“ nur allzu oft in den Oberst’schen gepressten Nölmodus verfällt, was bei manchen Liedern zwar sehr passend ist, aber über weitere Strecken doch sehr auf die Nerven fallen kann (vor allem, wenn man diese Art zu singen prinzipiell nicht ausstehen kann).
Geht man nun auf die anfangs erwähnten Unterschiede zwischen ersten und zweiten Alben einer Band ein, kann man feststellen, dass sich hier so einige Phänomene wiederfinden. Gegenüber den ersten beiden Alben haben sich Cargo City deutlich weiterentwickelt, haben stark am Sound gefeilt und sich musikalisch viel mehr ausgetobt – leider muss man aber sagen, dass die dazugekommenen Raffinessen teilweise das Herzblut überschatten, welches man in den früheren Alben viel deutlicher heraushören konnte. Nichtsdestotrotz ist „Dance/Sleep“ ein solides Album-Album geworden, aus welchem kaum einzelne Stücke herausstechen, sondern das in seiner Gesamtheit wirken muss. Es bleibt abzuwarten, wie die angefixte Öffentlichkeit auf den Stilbruch reagieren mag.
7/10
VÖ: 15.04.2011 über Rebecca&Nathan/Intergroove
Und statt ein Video zu posten, welches man an dieser Stelle trotzdem genießen kann, gibt es hier den Link, unter dem ihr den Titelsong "Dance/Sleep" kostenlos runterladen könnt!
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