2010/12/18

[Interviews] Anniversary Club

Myspace. Unendliche Weiten. Virtuelles Zuhause für etwa 300 Millionen angemeldete User, erträglicher Werbeplatz, Selbstdarstellungsplattform #1 für zahlreiche geltungsbedürftige Teenies und zu guter Letzt auch eine Plattform für unbekannte und wohlbekannte Bands und Künstler. Zu erklären braucht man das aber ja keinem mehr. Inmitten all dieser Profile findet sich aber ab und zu auch mal eine absolute Perle, die es verdient hat einmal näher betrachtet zu werden. Oder die Perle findet einen selber. Wie auch immer.

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 Vor einigen Tagen schien Chris von Anniversary Club  aus den vereinigten Staaten seinen virtuellen Freundeskreis erweitern zu wollen, um diesem seine herrliche, akustische Musik näher zu bringen. Ich passte dabei wohl in sein Beuteschema und da seine Musik ebenfalls in meines fiel, war man mit einem Klick „befreundet“. So schnell geht das. Nach einem kurzen Plausch reifte die Idee eines Interviews und per Mailkontakt entstand so nach und nach das unten zu lesende Ergebnis.  Einen Link mit Hörproben findet ihr zudem am Ende.
 
Chris, erzähl unseren Lesern doch ein wenig über dich. Wo kommst du her und was machst du zurzeit?
Aufgewachsen bin ich einer kleinen Stadt im Norden von Pennyslvania. Meine Collegezeit habe ich etwa ein Semester lang an der Kent State University in Kent (Ohio) verbracht, bevor ich mich dazu entschlossen habe mich ganz der Musik zu widmen. In gewisser Weise habe ich insgesamt sechs Jahre lang getourt und im Moment bin ich mit meinem Soloprojekt „Anniversary Club“ unterwegs. Meiner Meinung nach hat ein Akustiklied etwas sehr ehrliches und einfaches an sich. Ich liebe die Möglichkeit, seine Ansichten als Musiker zu vermitteln, wenn man es nur richtig macht. Mit meinem aktuellen Projekt möchte ich jetzt erst einmal auf unbestimmte Zeit touren.

Gibt es eigentlich eine Geschichte hinter dem Namen „Anniversary Club“?
Nicht wirklich. Mir ist der Name eingefallen, als ich mir das Design einer Bierflasche angeschaut habe. Ich habe mich zu dieser Zeit auf Tour mit einer meiner Bands befunden und wir saßen in Orlando (Florida) in einer Bar, um auf den Beginn der Show zu warten. Dort fiel mir die Flasche auf, welche verschiedene ältere Menschen beim Zuprosten abgebildet hatte. Da kam mir einfach die Vorstellung eines geselligen Clubs, in dem sich Menschen versammeln um über ihre Errungenschaften und Fehler zu reden und beide gleichermaßen zu feiern. Und so entstand schließlich „Anniversary Club“.

Verstehe. In welchen Bands hast du denn vor deinem aktuellen Soloprojekt gespielt?
Zu High School – Zeiten war ich Teil einer Band, die sich Coming Clean nannte. Ich glaube auf myspace dürfte noch alter Krams von uns zu finden sein. Falls du dir das anhören solltest, versprich mir bitte nicht darüber zu lachen. Oder sag es mir am besten gar nicht erst falls du es tun solltest. Anschließend habe ich bei Reasons for leaving gespielt und in letzter Zeit noch bei Above the screaming .

Wann hast du angefangen Musik zu machen?
Nun, ich habe mit etwa 15 Jahren angefangen in Punkbands zu spielen – also mittlerweile etwa vor 10 Jahren. Damals habe ich noch Bass gespielt und nach etwa einem Jahr angefangen an die Gitarre zu wechseln. Gehört habe ich zur damaligen Zeit Sachen wie NOFX, Bad Religion oder MxPx. Später habe ich mich von dieser Form der Musik wegentwickelt und habe mich im Indie Rock Genre wiedergefunden, was mich dann letztendlich zur Folk Musik geleitet hat. Und genau das höre ich zurzeit auch am Meisten.

Was würdest du als deine persönlichen und musikalischen Einflüsse bezeichnen?
Im musikalischen Bereich würden mir spontan Hotwatermusic, Rumbleseat, Matt Pryor, The Weakerthans, Brand New und sämtliche Freunde von mir, die auch Musik machen, einfallen. Im Grunde genommen war der Musiker, mit dem ich mich zurzeit auf Tour befinde, immer ein großer Einfluss. Er nennt sich Weekends und ihr solltet ihn euch mal bei myspace anhören. Auf persönlicher Ebene beeinflussen mein Leben und meine Erfahrungen die meisten meiner Texte. Ich bin in einem religiösen Elternhaus aufgewachsen und verarbeite dies, genau so wie Beziehungen oder soziale Probleme, wenn ich Lieder schreibe. Genau so zeigen sich in ihnen aber auch sehr häufig meine persönlichen Ängste.

Wie entwickelst du deine Lieder? Entstehen sie in bestimmten Momenten oder an bestimmten Orten der Inspiration?
Sie kommen eigentlich völlig aus dem Nichts. Und dann häufig auch in Massen. Musik und Texte kommen bei mir im Grunde genommen immer gemeinsam an einem Tag. Es kommt oft vor, dass ich innerhalb eines Monats vier Lieder entwickle, aber genau so gut kann es vorkommen, dass ich ein halbes Jahr lang kreativ auf dem Trockenen sitze. Du siehst: Ich habe eine sehr geringe Kontrolle über meine kreativen Prozesse.

Kommen wir einmal zu deiner derzeitigen EP. Beschreibe einmal, wie zufrieden du mit ihr bist.
Ich habe die Lieder auf ihr direkt nach meinem Umzug in mein neues Haus geschrieben. Ich habe mit meiner Verlobten etwa zwei Jahre lang zusammen gelebt, als die Beziehung abrupt endete. Daher auch der Titel „What you´ve got is already gone“. Die Lieder sind dabei für mich notwendig, mit dem Ende dieser Beziehung umzugehen und um mit dem Leben in meiner neuen Wohnung klar zu kommen. Ich mag diese EP immer noch sehr, allerdings finde ich mein neues Material, was ich im Herbst veröffentlichen werde, natürlich gegenwärtig spannender.

Kürzlich hast du in deinem Twitter geschrieben: „I may never find a town, where acoustic musicians are treated as equally as full bands. “ Harte Worte. Was genau meinst du damit?
Oh je. Ok. An diesem Abend war ich in Lexington (Kentucky) und ziemlich niedergeschlagen. Es ist eine lange Geschichte und ich will niemanden bloßstellen und es auch dabei belassen. In den letzten Wochen hat sich aber gezeigt, dass wenn du nicht in einer großen Band spielst oder jemand bist wie Chuck Reagan oder der Typ von Lucero, man sich eigentlich überhaupt nicht um dich kümmert. Egal. Die zwei oder drei Typen, die sich für meine Musik interessierten und das zu schätzen wussten, stellten sich als absolut feine Typen heraus. Im Grunde genommen war es so, dass ich  - als ich den Twitter schrieb – mich eigentlich nur sinnlos aufgeregt habe. Der Typ mit dem ich auf Tour war sagte anschließend folgendes zu mir: „Schluck es einfach herunter. So ist nunmal Punkrock.“. Und damit hat er nunmal recht. Genau deshalb fühle ich mich einfach nur glücklich meine Musik mit Menschen zu teilen.

Du tourst ja enorm viel. Hast du noch genügend Energie, oder fühlst du dich schon ausgelaugt?
Also mir macht Touren immer sehr viel Spaß. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass es meine Lieblingsbeschäftigung ist. Klar, ich bin ich die ganze Zeit hundemüde, aber das war ja zu erwarten. Neue Leute zu treffen und täglich die verschiedensten Plätze zu sehen gleicht die Strapazen aber wieder aus. Ich fühle mich gesegnet die Möglichkeit zu haben meine Musik täglich mit völlig fremden Menschen zu teilen und vielleicht einen positiven Affekt auf ihr Leben zu haben. All das wäre natürlich kaum möglich, wenn ich nicht ständig unterwegs wäre.

Du hast mir vor Kurzem erzählt, dass du vor hast in Europa zu touren. Warst du schon einmal hier drüben? Wenn nein, was sind deine Erwartungen?
Nein, ich war noch nie in Europa. Das Vorhaben eine eigenständige Tour bei  euch zu buchen und zu absolvieren ist eine einschüchternde Idee und ein großartiges Abenteuer zugleich. Im Grunde genommen habe ich auch absolut keine Erwartungen, da ich über eure derzeitige Musikszene überhaupt nicht informiert bin. Ich hoffe jedoch, dass Europa und natürlich auch Deutschland in musikalischer Hinsicht nicht dermaßen übersättigt sind, wie die USA. Aber so lange bei euch Menschen leben, die einen schön geschriebenen Song und ein gutes Bier zu schätzen wissen, wird es mir wohl gut gehen.

Erzähl mir doch zum Abschluss noch etwas über dein Leben in Johnstown. Kannst du es mit gutem Gewissen weiterempfehlen?
Johnstown ist eine alte Stahlarbeiterstadt. Fast alle Stahlwerke haben jedoch dicht gemacht und die Arbeitslosenquote ist auch dementsprechend hoch. Es gibt im Grunde genommen keine Mittelklasse. Wir haben hier eine Oberschicht, die quasi in einem abgeschotteten Teil der Stadt auf einem Berg wohnt und der Rest von uns lebt im Tal, in dem Verbrechen, Drogenprobleme und noch weitaus schlimmere Umstände an der Tagesordnung sind. Letztendlich ist es aber eine Stadt voller guter Leute, die nun eben durch schwere Zeiten gehen müssen.

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