2010/12/18

[Interviews] The Gaslight Anthem

Die Frage, ob es Sinn macht mit ein und derselben Band innerhalb eines halben Jahres zwei Interviews zu führen, ist sicherlich berechtigt. Allerdings haben The Gaslight Anthem aus New Jersey in den letzten 6 Monaten mehr erlebt als die meisten anderen Bands auf diesem Planeten jemals nachempfinden werden. Eine ausverkaufte Tour ist da noch die Spitze des Eisberges, aber für mich Grund genug ein weiteres Mal nachzubohren.

Image Während mir im Juli vergangenen Jahres Sänger Brian in Frankfurt Rede und Antwort stand, wurde mir in Wiesbadener Schlachthof Gitarrist Alex zur Seite gestellt. Freundlich, gut aufgelegt und mit Bier für die folgenden 30 Minuten ausgestattet nahm er Platz und gab bereitwillig zu den gestellten Fragen Auskunft. Dann mal los.

 Also Alex, erzähl mal, was seit Juli letzten Jahres alles passiert ist.
Nun ja, wir haben „The ´59 Sound“ veröffentlicht und das Album ist irgendwie wie eine Bombe eingeschlagen. Zudem haben wir viel getourt und wie du siehst, machen wir das immer noch.

Ich habe gehört, dass ihr im Dezember in den BBC-Studios in London eine der berühmten Sessions aufgenommen habt. Wie war das?
Stimmt. Das war der totale Wahnsinn. Du hörst als Musiker, dass dort Led Zeppelin oder Radiohead live gespielt haben und nun kam uns die Ehre zuteil in diesem unglaublichen Studio aufzunehmen. Wir kamen kurz zuvor in London an, waren gestresst und hatten den totalen Jetlag. Es wurde dann aber letztendlich eine sehr coole Erfahrung für uns alle und einige Lieder, die wir an diesem Tag aufgenommen haben, hören sich meiner Meinung nach noch besser an als auf Platte.

Wie kann man sich die Atomsphäre dort vorstellen? Immerhin sind das ja quasi heilige Hallen.
Genau. Du kommst herein und hast sofort das Gefühl an einem geschichtsträchtigen Ort zu sein. Zudem wird einem bewusst, dass man eine oder gleich mehrere Stufen auf der Leiter nach oben geklettert ist.

Da bleiben TV-Auftritte kaum aus. Ihr hab ja in den USA bei der Late-Night-Show von David Letterman ein Konzert gegeben.
Von der Erfahrung her war es ähnlich wie bei den BBC-Sessions. Ich habe Letterman eigentlich nie wirklich geschaut und war beim Auftritt in der Show von Conan O`Brien wesentlich nervöser, was aber einfach daran liegt, dass ich seine Show gerne schaue. Als ich dann in das Studio von David Letterman gelaufen bin ist mir klar geworden, dass wir im Ed Sullivan Theatre spielen. Dort fand zum Beispiel der erste TV-Auftritt der Beatles statt und Elvis bekam an diesem Ort große Probleme wegen seiner Hüftschwünge. Genau auf dieser Bühne zu spielen war für mich persönlich inspirierend und beängstigend zugleich. Am Anfang war ich noch sehr cool und dachte, dass es ein Auftritt wie jeder andere sein wird. Aber als mir dann klar wurde, wo wir spielen sollten, bekam ich es wirklich mit der Angst zu tun.

Hast du dir den Auftritt eigentlich im Nachhinein angeschaut?
Haha, ja das habe ich. Benny, unser Drummer, und ich haben noch ein Nebenprojekt, an dem wir arbeiten. Und an dem Abend, an dem unser Auftritt ausgestrahlt werden sollte, mussten wir mit eben diesem Nebenprojekt eine Show spielen. Wir spielten die Show in einem kleinen Keller in New Bruinswick , wo im Endeffekt etwa 50-60 Kids vor Ort waren. Anschließend habe ich bei einem Kumpel übernachtet, bei dem wir uns dann den Auftritt im Fernsehen angeschaut haben. Das war sehr amüsant, da wir eben an dem gleichen Abend vor einer Handvoll Zuschauer gespielt hatten und danach Landesweit im TV zu sehen waren. Dieser Gegensatz gefiel mir übrigens sehr.

Im Juli letzten Jahres habe ich euch in Frankfurt gesehen, wo ihr vor etwas weniger als 100 Personen gespielt habt. Jetzt habt ihr diese Location und zusätzlich noch die gesamte Tour ausverkauft. Hast du dafür eine Erklärung?
Nein, ich verstehe es ehrlich gesagt auch nicht (lacht). Es ist unglaublich und ich habe nie gedacht so weit zu kommen. Man kann wirklich jeden Tag nur Gott danken. Es ist wie ein lebender Traum, jedoch war für mich der Traum schon im letzten Jahr lebendig geworden, als wir am Touren waren und ein neues Album aufnahmen. Und jetzt wird es immer größer. Ich glaube ich habe damit wohl den ursprünglichen Wert meines Traumes verkleinert.

Begegnet euch diese Resonanz eigentlich auch in anderen Ländern, oder ist Deutschland da eine Ausnahme?
Nun, die Engländer haben uns sehr schnell in ihr Herz geschlossen. Da ging das eigentlich alles relativ schnell. Trotzdem ist es hier in Europa wesentlich intensiver, als zur Zeit in den Staaten. Vor ein paar Wochen waren wir noch in Skandinavien, wo die Shows ein wenig kleiner sind, aber genau so viel Spaß machen. Dort ist man in unseren Tourbus eingebrochen, hat aber nichts geklaut. Natürlich mussten wir noch zur Polizeistation und haben deshalb unsere Fähre verpasst. Wir haben sie wortwörtlich noch davonfahren sehen und mussten deshalb ein Konzert in Finnland ausfallen lassen. Der Vorteil war, dass wir ganze 4 Tage in Stockholm bleiben konnten und uns die Stadt anschauen konnten.

Über das Thema habe ich letztes Jahr schon mit Brian gesprochen. Er meinte auch, dass ihr sonst kaum Zeit habt, etwas von den Städten zu sehen.
Ganz genau. Als wir das erste Mal in Deutschland waren wollte unser Fahrer immer Stunden bevor das Konzert eigentlich anfing schon an den Locations sein und einchecken. Das war aber auch das einzige Mal, dass wir ein klein wenig Zeit hatten. Seitdem habe ich von Deutschland leider nicht wirklich viel sehen können.

Bemerkst du eigentlich irgendeine Veränderung innerhalb der Band? Mit dem was ihr in den letzten 12 Monaten erlebt habt, geht ja jeder unterschiedlich mit um.
Nein, eigentlich nicht. Ich glaube nicht, dass sich irgendwer verändert hat. Ich würde sagen, dass wir alle immer noch so sind, wie wir es waren, als wir die Band gegründet haben. Jedenfalls benehmen wir uns so (lacht). Allerdings würde ich sagen, dass wir stärker zusammengewachsen sind, was man auch allem daran merkt wie wir zusammen proben oder jammen. Es ist sehr stressig, ja. Aber immer wenn ich mich beschweren will denke ich daran, dass das was ich tue einfach genau das ist, was ich machen will. Egal wie schlecht mein Tag ist: Es gibt immer noch so viele Leute, denen es einfach schlechter geht. Deswegen muss ich eigentlich einfach nur dankbar sein. Und das bin ich auch.

Was würdest du sagen, sind die Vor- und Nachteile des Tourlebens. Ihr seid ja mittlerweile Experten darin.
Der Vorteil ist, dass man auf Tour absolut viel Spaß hat und viele neue Leute kennenlernt. Zudem muss ich keine Miete mehr zahlen, weil ich keinen festen Wohnsitz mehr habe. Zu Hause schlafe ich dann einfach bei einem Freund auf der Couch.

Interessant. Der Musiker, der in Fernsehshows auftritt, hat kein eigenes Bett.
(lacht) Du sagst es. Genau so war es an dem Abend als wir uns die Fernsehauftritte angeschaut haben. Ich habe die Nacht, in der ich mir unseren Auftritt im Fernsehen gesehen habe auf der Couch eines Freundes verbracht. Wenn Freunde von mir meinen Tourplan sehen, sagen sie immer: Wow, du kommst sehr viel herum. Aber wie ich schon sagte, sehe ich meistens nur das innere der Clubs, in denen wir spielen und das war es auch. Das ist eben ein Nachteil vom Touren, wenn man das überhaupt als Nachteil sehen möchte.

 Wie oft kommt ihr eigentlich nach Hause?
Puh, eigentlich nicht oft. Bevor die Tour losging, haben wir ganze 5 Wochen zu Hause verbracht. Das war schon viel. Meistens kommt man mal für 3 oder 4 Tage nach Hause, bevor es auch schon wieder losgeht.

Viele Musiker sagen ja, dass sie nach einer langen Tour oft zu Hause in ein tiefes Loch fallen. Während man Abends jeden Abend vor vielen Zuschauern gespielt hat, sitzt man zu Hause alleine in seinem Zimmer und starrt die Wände an.
Oh, absolut. Wenn du auf Tour bist, dann ist alles so geregelt und organisiert. Du bekommst jeden Tag einen Zettel in die Hand gedrückt, auf dem steht, wann du aufstehen musst und wann du am Club zu sein hast. Man muss ehrlich gesagt an gar nichts mehr selbst denken. Als wir das letzte Mal von der Tour nach Hause gekommen sind, habe ich 3 Wochen lang bei meinem Kumpel auf der Couch gesessen, TV geschaut  und Videospiele gespielt. Erst danach habe ich wieder angefangen meinen Kopf zu benutzen und mich wieder von selbst aus mit Leuten getroffen. Man kann sich sehr schnell selbst verlieren, weil du dich an etwas gewöhnst, was eigentlich nicht normal ist.

In euren Liedern findet man einige Male das Wort „Tattoo“. Wie stehst du dazu?
Oh, ich habe selbst auch einige (fängt an nach und nach seine Bemalungen zu zeigen und Geschichten dazu zu erzählen). Benny, Alex und Brian haben auch alle welche. Sie erinnern mich immer ganz speziell an Abschnitte in meinem Leben. Ich habe sowohl ernste, als auch lustige Tattoos (zeigt ein Tattoo des „Evil Dead“-Hauptdarstellers Bruce Campbell auf seinem Oberarm) und immer wenn ich sie anschaue, erinnere ich mich an bestimmte Leute oder Orte. Wenn es mir in irgendeiner Art und Weise schlecht geht, schaue ich sie mir an und gebe mir dadurch Kraft.

Ihr spielt ja heute Abend zusammen mit Frank Turner. Habt ihr zuvor schon einmal mit ihm gespielt?
Ganz ehrlich? Ich habe mir vor dieser Tour noch nie etwas von ihm angehört. Der Name war mir bekannt, aber ich konnte seine Musik nicht zuordnen. An unserem gemeinsamen Tourabend habe ich mir seinen Auftritt angeschaut und war begeistert. Und mittlerweile versuche ich jeden Abend seine Show zu sehen. Ich kenne zwar die Texte nicht auswendig, aber er ist absolut fantastisch und generell ist diese ganze Tour einfach nur der Wahnsinn für uns. Während wir in den Staaten mit Polar Bear Club gespielt haben gab es einen Abend, an dem Frank zusammen mit Fake Problems auf Tour war. Beide haben an diesem Abend nur 100 Meter von uns entfernt gespielt und wir sind fast den ganzen Abend nur hin und her gerannt, um unsere Show zu spielen und auf dem anderen Konzert auch noch etwas von Fake Problems mitzubekommen. Seinen Auftritt habe ich damals aber leider nicht gesehen.

Gibt es denn eigentlich für dich spezielle Bands oder Musiker, die du gerne mit auf Tour nehmen würdest. Oder für die du gern eröffnen würdest?
Ja. Und das wird im April geschehen. Wir spielen zusammen mit My Bloody Valentine und The Cure auf dem Coachella Festival. Das sind eigentlich meine Lieblingsbands und nun ist es möglich, dass ich mit ihnen am gleichen Tag spielen werde.

Wo wir ja wieder bei den Vorteilen des Tourlebens wären.
Du sagst es. Ich konnte es zuerst auch gar nicht glauben. Mir haben auf einmal sehr viele Freunde Nachrichten geschrieben und sich für mich gefreut, während ich noch gar nicht wusste, worum es eigentlich geht. Als ich dann schließlich eine eMail mit dem Lineup des Festivals bekam, war ich einfach nur überglücklich. Und ich merke jetzt schon, dass ich an diesem Abend total nervös sein werde.

Alex, vielen Dank, dass du dir Zeit genommen hast und natürlich viel Erfolg für die Zukunft.

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