Penetrantes und nerviges Youtubephänomen? Kreuzritter einer neuen Musikbewegung oder doch nur heiße Luft? In Bad Homburg konnte man sich gestern Abend von dem neuen Star am Internethimmel Alexander Marcus ein Bild machen. Ausverkaufte Hütte, Schlachtgesänge und Dauergrinsen vor der Bühne konnte als Resumee des Abends festgehalten werden.
21 Uhr steht auf den Tickets: Roger, wir sind da. Dass der Herr Marcus allerdings erst um 24 Uhr auf die Bretter geschickt wird und man nach bezahlen des Eintritts auch nicht mehr den Club verlassen darf, wenn man nicht noch einmal das Eintrittsgeld von 5 Euro latzen will, hatte vorher auch keiner angekündigt. Welchen Zweck der Stempel erfüllen sollte, den man am Einlass auf die Handfläche gedrückt bekam, verstand dann auch keiner mehr. Naja. Also 3 Stunden mitten in einem Publikum verbracht, was durchaus als gemischt bezeichnet werden kann. Auf der einen Seite Elektrofans, die sich ihren neuen Youtube-Marcus mal aus der Nähe anschauen wollen und auf der anderen Seite die Dorfjugenden aus den umliegenden Gemeinden. Zwischendrin ein paar Indiefans, die sich den Gag ebenfalls nicht entgehen lassen wollten, und fertig war die brodelnde Partysuppe.
Dass einige Provinzproleten von der an der Theke verkaufen Partysuppe doch die ein oder andere Kelle zu viel naschten zeigte sich dann im Laufe des Abends vor allem im Hof des Gambrinus: Gröhlende Hooligangesänge, teilweise stark rechts angehaucht und einfach nur stupides Rumgegrunze einiger Teenies, die zu viel vom Gerstensaft konsumiert hatten, konnte vernommen werden. Das komplette Gegenteil, was noch eine Woche zuvor auf dem Melt!-Festival zu beobachten war. Aber irgendwie war das auch zu erwarten. Die Geister, die er rief.
Nun aber zum eigentlichen Konzert: Bis um 24 Uhr legte ein Hauseigener DJ auf, ehe Alexander Marcus unter tosendem Applaus die Bühne betrat. Drinnen ging zu dem Zeitpunkt fast gar nichts mehr. 5 oder 6 Lieder pfefferte er in den nächsten 25 Minuten in Richtung Publikum und vor allem bei „Papaya“ gab es unter den Anwesenden kein Halten mehr. Palmenzweige flogen durch die Luft, aufblasbare Gummibälle wechselten den Besitzer und die geballte Extase entlud sich auf der Tanzfläche. Der Bühnenrambo Marcus legte hier und da mal ein kleines Tänzchen ein, was von der gröhlenden Menge frenetisch bejubelt wurde. Nach 20 Minuten war vorerst Schluss, eher der Protagonist für „Ciao, ciao Bella“ noch einmal die Bretter enterte. Die Hitze im Gambrinus war teilweise unerträglich und schien dem ein oder anderen Anwesenden doch stark aufs Gemüt zu schlagen: Vereinzelt waren Handgemenge zu beobachten und die proletenartigen Schlachtgesänge „Papaya Hooligans“, die von fast dem gesamten Tanzflächenbereich voller Inbrunst mitgeschrien wurden, stachelten die Atmosphäre zusätzlich an. Eine Dosenwurfbude mehr und der Unterschied zu einer Dorfkirmes wäre nicht mehr auszumachen gewesen.
Ob dies das Publikum ist, was sich Alexander Marcus wünscht, wage ich zu bezweifeln. Aber wer kennt ihn auch wirklich? Die fiktive Figur eines Berliner Elektroproduzenten, die mit Elektrolore die nationale Musikwelt spaltet. Wahrscheinlich nur er selbst. Und vielleicht hat er sich am gestrigen Abend auf der kleinen Bühne des Bad Homburger Gambrinus auch pudelwohl gefühlt. Wer weiß das schon.
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