2010/12/14

[Interviews] Elfmorgen

Lange hatte wir es vor, endlich hat es geklappt. Ein Interview mit Elfmorgen – Sänger Andy. Per Handy lotst er mich in den Proberaum. Nur noch über einen Zaun klettern und schon empfängt er mich, will wissen ob ich lieber Kaffee oder Bier trinken will. Klärt mich über ein verbeultes Tablett auf und schon geht’s los.


Benzol: Jetzt fang ich mal gleich mit eurer schönen grünen CD an. Die hat nun schon fast Jahrestag. Ist denn was neues in der Pipeline? Irgendwelche Pläne? 
Andy: Ja. Nächstes Jahr nehmen wir eine neue Platte auf.

Benzol: Wie konkret ist das schon?
Andy: Total konkret
 
Benzol:
(oha, das kann ja heiter werden, sehr gesprächig scheint er nicht zu sein) Dann sprich, wenn du was verraten willst.
Gelächter von Andy: Wir haben zumindest auf dem Bürgerfest schon soviel verraten, dass wir nächstes Jahr ganz wenig spielen wollen. Wir wollen uns hier einschließen und eine Platte aufnehmen. Home Recording sozusagen. Und im Besten Fall eine Kassette rausbringen.
 Mal gucken, denn Tapes sind momentan teurer als Cds. Wenn wir es wirklich schaffen was aufzunehmen, dann werden wir es höchstwahrscheinlich auch als download anbieten, dann haben wir keine Kosten.

Benzol: Aha, scheinbImagear habt ihr euch eure letzte CD gut was kosten lassen.
Andy: Das war ja auch unsere erste und die hat lange auf sich warten lassen. In die haben wir alles reingebuttert was irgendwie geht.
 
Benzol: Youtube technisch geht ja bei euch auch einiges. Dann habt auf eurer alten Homepage jede Menge Demos und Bilder gehabt. Wäre es nicht mal interessant eine DVD mit all dem Zeug herauszubringen.
Andy: Wir wollten letztes Jahr, bzw. 2006 schon unser Best of – Album rausbringen. (lacht) Vielleicht schaffen wir das ja in 2008. Eine DVD ist auch unwahrscheinlich viel Arbeit. Keiner von uns kann so was und da lassen wir es lieber.
 
Benzol: Auf eurer Homepage kann man sich eine Liveversion von (ah, da war mir doch der Titel entfallen und ich mussts nachlesen) von „Es geht vorbei“ anhören. Eine Liveversion. Wird das einer der Songs sein den es dann auf dem Tape zu hören gibt?
Andy: Da gibt’s eine Aufnahme, die ist aber eigentlich unhörbar, weil die total besoffen eingespielt wurde. Aber auf die nächste Scheibe wird es drauf kommen.
 
Benzol:
Gab es mittlerweile Anfragen von einem Label?
Andy: Ja, die gab es. Es gab auch ganz konkrete Sachen mit 3P. Die wollten uns gerne haben, das war 2005 oder so was. Ich weiss es ehrlich gesagt nicht mehr. Und das haben wir abgesagt.
Dann hatten wir ein Management, die uns ganz groß rausbringen wollten. Wir waren deshalb auch in Münster in einem ganz renommierten Tonstudio in dem die H-Blockx, Such a surge, Donots und wie se alle heißen aufgenommen haben.

Die wollten uns produzieren, also haben wir gesagt wir machen das Mal. Die wollten uns dann irgendwo hinproduzieren, wo wir gesagt haben, das ist nicht unser Weg. Wir haben daraufhin den Produzenten und das Management gekündigt und kamen zu dem Schluß es lieber alleine zu machen. Haben dann in Karben unseren Traumproduzenten kennengelernt. (Jetzt hat er sich warmgeredet)

Benzol: Warum die Absage an 3P?
Andy: Ehrlich gesagt haben wir über 3P nie nachgedacht, weil wir bei denen nie unter Vertag sein wollten (hält die Hand über das Mikrofon und flüstert) Den gings damals schlecht, deshalb die Anfrage (bricht in schallendes Gelächter aus)
 
Benzol: Achso, die brauchten die Kohle….
Andy: Ne, also die hatten damals Hip-Hop mässig überhaupt nichts mehr im Rennen und haben nach einer hessischen Rockband gesucht. Nachdem die uns bei Newcomer gesehen hatten, kam die Anfrage. Also sind wir nach Rödelheim, (ironischer Business- Tonfall) total cool. Dort haben die uns einen Haufen CDs geschenkt, bestimmt 50 Stück, von Azad, Sabrina Setlur und Glashaus. (lacht) Wir haben uns nur gedacht: Nee, das geht nicht.    Die waren aber ganz nett und wollten sogar richtig Geld bezahlen….Die wollten uns kaufen, nur wir waren ja keine 16 mehr und ham uns gedacht…NAAAAHAHAHAHA. Ich hätte es schon komisch gefunden, wenn ich meine CD in der Hand hätte und hinten steht als Label 3P drauf. Label-Partys mit Azad und Illmatic…ne.  Das war nicht unser Weg. Wir haben für uns entschieden, dass wir das als Hobby machen und mit der Musikindustrie ziemlich wenig am Hut haben wollen, damit wir alles selbst in der Hand haben. 

Benzol: löbliche Einstellung…
Andy: Ja, das is total cool, nur kommt nichts bei rum. Nachdem wir die ganzen offiziellen Leute, wie zum Beispiel das Management, gekündigt hatten, sind alle abgesprungen. Wir hatten von WOM  und HR3 Zusagen für die Promotion, wenn die Platte draussen ist. Das ist alles gut und schön. Und als wir dann gesagt haben, dass wir es lieber selber machen, war es auf einmal nicht mehr ganz so interessant, nachdem die ganze Maschine Musikindustrie weggefallen ist. Dann waren wir anscheinend nicht mehr so cool.
 
Benzol:
Ihr spielt schon immer in Hanau und Umgebung. Habt ihr nicht mal Ambitionen eine größere Tour zu spielen?
Andy: Würden wir sofort machen, wenn es jemanden gäbe, der das für uns organisieren könnte. Wir suchen ganz dringend eine gute Booking Agentur, die uns rumschicken will. Hatten wir sogar schon gehabt, die wollten von uns aber einen Businessplan haben und ganz genau wissen, was für ein Label dahinter steckt, um zu gucken wer wie Geld in Werbung investiert. (lacht) Sowas haben wir nicht, wir wollen einfach nur spielen.
 
Wir selbst können keine Tour auf die Beine stellen, da haben wir keinen Nerv zu. Ausserdem haben wir alle auch einen Job. Dann können wir eben auch nur spielen, wenn wir auch Urlaub bekommen. Auch wenn es damals gefordert wurde, haben wir gesagt, wir kündigen unsere Jobs nicht. Nur Musik machen war uns ein bisschen zu heikel.

Benzol: Anderes Thema. Euer alter Drummer, der Marco… (der Interviewer spricht hessisch also „Maggo“)
 Andy: Du darfst nie Maggo sagen, das hasst er. Er heisst Marco.

Benzol:
Äh…hehe…ok.  (Gelächter von Andy) Warum hat er damals Elfmorgen verlassen. Willst du was dazu sagen?

Andy: Gerne. Marco ist einer meiner ältesten Freunde. Mir tut das total Leid, das es so gekommen ist, wie es nun ist. Er hatte damals die Ambition andere Musik machen zu wollen. Ihm war es damals mit dem Produzenten und Münster schon alles zu koscher. Wir haben aber immer gesagt, dass wir es so lange machen, wie wir eben damit leben können. Und Marco konnte damit nicht leben. Marco wollte nie in diese Popschiene in die die uns produzieren wollten. Wir hatten nichts zu verlieren, nirgends einen Vertrag unterschrieben und wollten es mal testen wie lange es Ok für uns ist.
Marco wollte grob gesagt in Richtung Korn oder Slipknot. Was alles geil ist, aber nicht mit deutschen Texten geht. Da kamen wir eben nicht zusammen weiter. Wir haben uns eigentlich im Guten getrennt, seitdem haben wir  absolut keinen Kontakt mehr.

Benzol: Ohne Grund?
Andy: Ich unterstell ihm mal, weil er Italiener ist und somit sehr impulsiv….ja…soweit hätte es nicht kommen müssen. Wir hatten damals einen ziemlich wichtigen Gig in Berlin gehabt, für die DEAG und der Marco hatte kurz davor einen Bandscheibenvorfall, schon seinen Zweiten. Wir haben ihm dann gesagt, dass er das Ding auskurieren muss und wir ihn nicht dort spielen lassen. Da war er dann schon leicht angepisst. Ich denke, dass er das alles ein bisschen missverstanden hat. Seitdem hab ich ihm einmal gesehen und da hat er sich nicht gefreut mich zu sehen… (lacht) …im Gegensatz zu mir.
 
Wir haben uns zumindest an Geburtstagen SMS geschrieben, das ist schon mal viel Wert...

Ich würde mir wünschen, dass er zur Vernunft kommt, und wir uns wenigstens wieder unterhalten können. Ich bin mit ihm zusammen in den Kindergarten gegangen, hab mit ihm unter katastrophalen Umständen die Band aufgebaut. Wenn er das hier liest soll er sich bei mir melden.
 
Benzol: Stichwort: „Plan 8“. Was ist das? Gibt es Aufnahmen? Bekommt man das Ganze mal Live zu sehen?
Andy: (grinst) „Plan 8“ ist eigentlich gar nichts. Es waren ein paar Leute die sich getroffen haben. Die Band gab es schon gewisse Zeit bevor ich da mit gemacht hab. Das sind alles Freunde von mir, unser alter Gitarrist und unser jetziger Schlagzeuger war dabei. Das war so ein kleines All-Star-Spass Projekt. Wir haben auch Aufnahmen gemacht, aber die wird es niemals zu hören geben…(lacht zum 100xMal) aber wir hatten einen Gig in der Halle2.

Benzol: Elfmorgen ist eine Band, mit einer riesigen Fanbase in Hanau. Wie erklärst du dir das? Was ist so toll an euch?
Andy: Ziemlich einfach. Wir sind sehr authentisch. Wir haben schon immer das gemacht was wir können. Haben nie versucht Lieder zu schreiben, die man uns nicht abgenommen hätte. Wir wissen, dass wir alle ziemlich wenig können und an unseren Instrumenten absolute Nobodys sind. Ich könnt dir auf Anhieb hundert Leute nennen, die besser Gitarre als wir spielen.. Die sind jedoch sehr verkrampft bei dem was sie tun. Haben Angst sich zu verspielen.

Die Leute wollen unterhalten werden, und genau das machen wir. Für uns ist es wichtiger, dass die Leute lachen können, gerne auch über uns, solange wir auch über sie lachen können.  Man nimmt uns ab was wir machen, was ich bei Newcomer-Bands im Normalfall nicht mache.
Ich kann mir nicht von einem 16jährigen erzählen lassen, wie schlecht die Welt ist und wie schlimm es ist Beziehungen zu verlieren. Da denke ich mir, Junge was erzählst du mir eigentlich.
Bei uns ist es so, dass die Leute es anerkennen und denken, „Das könnte ich eigentlich auch und trau mich eigentlich nicht“. Wir machen den Leuten Mut, das man was auf die Beine stellen kann, selbst wenn man nichts kann. Solange man es verfolgt, dann klappts auch.

Wir machen sehr einfache Texte, bei denen man nicht lange überlegen muss, was damit gemeint ist. Wenn ich da so Tomte höre….da machen wir uns keinen Kopf. Das ist Partymusik. Keine Chartmusik. Das wird unser Hobby bleiben und wir machen es solange wie wir und die Leute Bock drauf haben.
 
Benzol: Ihr verwendet Themen, die in zwei Richtungen tendieren zum einen die Partysongs und dann die ernsteren Texte so wie „Subishi“. Seht ihr euch wirklich nur als reine Partyband oder sollten die Leute auch mal auf die Texte hören.
Andy: Grundsätzlich solltest du auf alle Texte hören, da sie dir alle etwas sagen können. Mir ist es wichtig, dass die Leute auch bei „Subishi“ Spass haben, wenn dann noch einer merkt, das das Ding sogar Tiefe hat. Ok, cool. Wenn einer denkt „Ok, das is so bin, wie ich bin oleole“, dann ist das für mich auch vollkommen in Ordnung. Ich hab kein Problem damit missverstanden zu werden. Wir sind eine unernste Band mit guter Kindheit. Es wird auch keinen Sinn machen so krass in die Tiefe zu gehen. „Oh wir denken so über die Welt nach“. Das machen wir einfach nicht in dem Maße, dass man da etwas intellektuelles reininterpretieren könnte.
 
Benzol: Hast du Favoriten unter den lokalen Bands?
Andy: Wen ich wirklich schätze ist die Band „Trip Fontaine“, die früheren „Ironcow“. Die kommen aus Rodgau und die find ich absolut genial. Schon immer. Die haben es absolut drauf, haben ein Label, sind gerade in München am produzieren. Absolut authentisch.
 
Banjoory find ich auch sehr geil. Ok, man kann nicht immer nur Reggae hören, aber es macht mir Spass denen zuzuhören. Ach und die Evil Cavies hab ich jetzt auf dem „Trebur Open Air“ kennengelernt. Natürlich auch früher die Ultrakurzwellen, bis sie sich aufgelöst haben die Idioten. (Lehnt sich nach vorne und ruft ins Mikro) IDIOTEN.
Benzol: Nervt es nicht auf die Dauer ständig den „Oberlippenbart“ singen zu müssen?
Andy: Ne, niemals. Da fahren die Leute total drauf ab. Selbst wenn uns auch niemand im Publikum vorher gesehen hat, ab dem Lied wissen se wie sie uns zu nehmen haben. (verzückt) Das ist unsere Hymne. Wir wären ja bekloppt es nicht mehr spielen zu wollen. Wobei es Lieder gibt, die mehr Spass machen. (lacht)
  
Benzol:
Ihr wart ein Teil der Schweinehalle. Erst soll das Ding abgerissen werden, deswegen schmeisst man den Betreiber raus. Dann steht das Ding jahrelang leer und nichts passiert. Kommt man sich da nicht von der Stadt verarscht vor?
Andy: Seit ich angefangen habe Musik zu machen, sollte die Schweinehalle abgerissen werden. Es hat sich allerdings nie jemand getraut. Die ganze Erde darunter ist verseucht und es würde unwahrscheinlich viel Geld kosten, wenn du wirklich da was neues draufbauen wolltest. Die Schließung der Halle war jedoch zu einer Zeit, in der Hanau von der Bürgermeisterin  total verarscht worden ist. Die Schweinehalle ist abgeschlossen, wobei da unwahrscheinlich viele Erinnerungen dran hängen.
 
Benzol:
Ist die Halle2 ein würdiger Ersatz?
Andy: Sie ist sogar ein sehr guter Ersatz. Wobei sie noch lange nicht so viel Seele hat wie die Schweinehalle. Sie ist jedoch viel professioneller und es macht mindestens genauso viel Spaß dort zu spielen.
 
Benzol: Bist du mit der Entwicklung der Hanauer Szene zufrieden oder ginge da noch mehr?
Andy: Es geht immer mehr. Ich find es schon gut das das Qbar wieder auf hat. Es hat jahrelang brach gelegen, keiner hat sich da dran getraut. Das Problem ist halt, dass du da nicht live spielen kannst. Ich hasse es. Wir sind relativ oft dort.
In Hanau müsste auf jeden Fall mehr gehen. Es hat Potential. Man bekommt leider nur sehr schwer gute Bands da hin. Die denken Hanau ist so ein Vorort von Aschaffenburg und Frankfurt. Naja.

Benzol: Dann danke ich dir für das Interview. Willst du noch unbedingt was loswerden?
Andy: Weitermachen…(Gelächter)

Andys abschließende Worte lassen sich nur noch kurz zusammenfassen, weil dann dummerweise das Diktiergerät den Geist aufgab. Er wünschte allen Leuten, die an der Hanauer Szene bzw. in Bands beteiligt sind, Durchhaltevermögen und das niemand erwarten soll nach ein paar Gigs bereits Rockstar zu sein.
 
Mittlerweile ist es arschkalt im Proberaum. Andy sitzt im Schneidersitz auf einem Sofa und wenn man ihn so sieht, dann nimmt man ihm ab was er da erzählt. Ein Mensch, der  lieber seinen eigenen Weg geht, als sich für Andere verbiegen zu lassen. Für eine mit solcher Konsequenz gelebten Einstellung kann man  ihm und Elfmorgen nur den höchsten Respekt zollen.   

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