Zum 15. Male jährte sich am vergangenen Wochenende das With Full Force Festival in Löbnitz bei Leipzig. Das am Flugplatz Roitzschjora stattfindende Event lockte auch dieses Jahr bei herrlichen Temperaturen über 30.000 Musikliebhaber in den Osten der Republik.
Als wir uns am Donnerstagmorgen von Gießen aus in Richtung Löbnitz machten, waren die Wetterprognosen für das Wochenende eher durchwachsen. Von vielen Regenschauern war die Rede, was die vorfreudige Stimmung jedoch keineswegs trüben konnte. Kurz vor dem Ziel schlossen wir uns in Halle einer Autokolonne an und fuhren die restlichen Kilometer gemeinsam in Richtung Ziel. Die Stadt an der Saale war eindeutig eine Stadt mit zwei Gesichtern: Auf der einen Seite ein wunderschönes Stadtbild mit vielen alten Gebäuden, während auf der andern Seite beim Verlassen die grottigsten Plattenbauten auf Widersehen sagten.
Der alljährliche Festival-Rückstau machte sich auch dieses Jahr wieder einige Kilometer vor dem Fahrtziel bemerkbar. Gerüchte über die Restdauer des Staus schwankten von 2 bis 5 Stunden. Letztendlich wurde der Campingplatz dann schließlich doch nach einer knappen Stunde erreicht. Mit etwas Glück und Überredungskunst konnten wir noch auf dem kleinen Campingplatz parken, der in Sichtweise zum Hardbowlzelt lag und somit lange Fußmärsche von Vornherein ausschloss. Provisorisch das Zelt aufgebaut, Bändchen geholt und mit ein paar Bierchen die Gegend erkundigt. Ein Bad im nahegelegenen Kiesgrubensee gehörte da logischerweise auch dazu. Der konnte Donnerstag und Freitag noch als sauber bezeichnet werden. Im späteren Verlauf des Festivals war davon nicht mehr viel zu sehen. Bei Grill und Bier wurde der Tag schließlich beendet und mit voller Vorfreude auf den folgenden Tag geschaut.
Dieser wurde in musikalischer Hinsicht von den Radio Dead Ones eingeläutet. Die Berliner spielten etwas über eine halbe Stunde lang Punk n Roll und heizten die Menge schon einmal ein wenig ein. Bei den Japanischen Kampfhörspielen war im Anschluss zwar merklich mehr los, von gepflegter Textkultur war jedoch für mich nicht mehr die Rede. Ich konnte nicht einmal nach einer halben Stunde ausmachen, ob das was da aus den Mikros der beiden Sänger kam, deutsche oder englische Texte darstellen sollte. Im Anschluss wurde mir mitgeteilt, dass die Texte auf Deutsch „vorgetragen“ wurden. Tatsache. Nach ein paar Minuten Meshuggah wurde ein kurzer Zwischenstopp am Zelt eingelegt, ehe es wieder zu Morbid Angel an die Hauptbühne ging. Souveräner Auftritt der Legenden, den ich mir jedoch nicht ganz anschauen konnte. Einen kurzen Blick auf die Show von Born from pain wollte ich mir nämlich nicht entgehen lassen. Die rissen derweil mit ihrer Bühnenpräsenz und den ausgewählten Songs das Hardbowlzelt komplett ab.
Agnostic Front hatten gegen 20 Uhr auf der Mainstage schließlich ein recht leichtes Spiel. Viele Fans waren gekommen, textsicher wie eh und je und mit einem „This is Sparta“ betraten die New Yorker Urgesteine die Bretter. Vom Set war ich im Nachhinein ziemlich enttäuscht, da die knapp 50 Minuten Spielzeit mit wenig alten Knallern gespickt wurden. Zwar waren mit „The Eliminator“, „Friend or foe“ oder „Crucified“ einige alte Hardcoreschinken dabei, jedoch bestimmten fast ausschließlich Tracks von den LPs „Warriors“ und „Another Voice“ das Programm. Dem Publikum schien es trotzdem zu gefallen und im Pit machte so mancher Bekanntschaft mit dem Ellenbogen seines Nachbarn. Bullet for my Valentine wurde im Anschluss dezent weggelassen und so wurde die Zeit noch einmal zum Tanken von Energie oder wahlweise Bier am Zeltplatz genutzt.
Machine Head was up next. Nach einer ewig langen Umbauphase, was man aber von der Truppe rund um Rob Flynn gewohnt war, ging es schließlich mit „Clenching the fists of dissent“ los. „Imperium“ folgte und im Anschluss wurden weitere Meilensteine ihrer doch schon recht beachtlichen Karriere abgebrannt. Mittendrin fand mit „Hallowed be thy name“ ein sehr gutes Iron Maiden-Cover seinen Platz, ehe es mit „Halo“, „Old“ und „Take my scars“ in die Pause ging. Mit der 8-minütigen Nummer „Descend the shades of night“ kehrte die Truppe schließlich wieder zurück, um sich mit „Davidian“ nach 75 Minuten endgültig zu verabschieden. Problematisch war bei dem Auftritt der starke Wind, unter dem der Sound teilweise erheblich zu leiden hatte. Der Schall wurde scheinbar abgedrängt und somit waren die Basslines teilweise zu laut und störten mal mehr und mal weniger.
Für mich trotzdem ein absolut souveräner Auftritt, auch wenn sich viele im Nachhinein über die Songauswahl aufregten. Ich persönlich hätte gerne noch „Block“ oder „The Blood, the sweat, the tears“ im Programm gehabt, aber das Leben ist ja bekanntlich kein Wunschkonzert. Nachts um kurz vor 2 machte ich mich noch einmal kurz auf den Weg zum Hardbowlzelt, um mir die Show von Mayhem anzuschauen. Selbst kein Black Metal Fan, wollte ich mir trotzdem einmal die Jungs der sagenumwobenen Band anschauen und mir selbst ein Bild machen. Doch was da geboten wurde, passte auf keine Kuhhaut. Der Sänger mit Sonnenbrille, weißem Jackett und lethargisch wirkenden Bewegungen, während die Zuschauer teils fassungslos, teils gleichgültig auf die Bühne schauten. DAS sollte Mayhem sein. Nein Danke, gute Nacht auch. Das war eine Parade der Peinlichkeiten, der ich mich ganze 20 Minuten anschloss. Nichts weiter.
Nach einer kurzen Nacht begann der nächste Tag für mich in musikalischer Hinsicht vor der Hauptbühne. Die Frankfurter Jungs von A.O.K. hatten sich für 14 Uhr angekündigt und einen ihrer sagenumwobenen Auftritte hatte ich mir für dieses Mal vorgenommen. Für zartbeseidete Gemüter wäre der 35-minütige Auftritt mit Sicherheit nichts gewesen. Nackte Männerkörper, derbe Lieder und eine zirkusreife Bühnenshow. Baguette-, Salat- und Würstchenschlachten inklusive. Mit „Fasching in Hanau“ fand das äußerst ereignisreiche Set der Truppe dann schließlich sein Ende. Unverständlich war für mich allerdings, dass es sich ein Vater scheinbar nicht nehmen lassen konnte, seinen etwa achtjährigen Sohn in die erste Reihe zu schleppen und ihm diese nicht ganz jugendfreie Show zu servieren. Abgesehen davon, dass der kleine Knirps zwei Piercings im Gesicht hatte und äußerst vergnügt am Rauchen war. Die Trophäe „Vater des Jahres 2008“ möchte ich jetzt schon einmal vergeben. Ich bitte um Applaus.
Zu Discipline und den Rykers war ich schließlich wieder gegen 19 Uhr im Hardbowlzelt. Discipline spielten ihre bekannten Gröhlschinken herunter und machten damit den ein oder anderen Skin mindestens genau so glücklich wie den kleinen Jungen kurz zuvor bei A.O.K. Die Kasseler Hardcorelegende Ryker´s belegte im Anschluss den Headlinerslot im Zelt und wurden frenetisch abgefeiert. Das Zelt platze aus allen Nähten, der Pit war unbeschreiblich und die Freude über die Reunion der Band war offensichtlich. Sicherlich einer der energiegeladensten Auftritte des Wochenendes. Ein weiterer Höhepunkt folgte direkt im Anschluss. Ministry waren auf der Hauptbühne zu bestaunen. Und bestaunen ist in diesem Falle wirklich das richtige Wort: Eine fulminante Show, die die alten Herren da bei einer ihrer letzten Shows hingezaubert hatten. Wie immer viel Kritik an den USA und nach knapp einer Stunde Spielzeit zog man als Zuschauer geplättet von dannen.
Während In Flames auf der Hauptbühne ein Feuerwerk abbrannten, wartete die Menge im Hardbowlzelt sehnsüchtig auf den Beginn des Saturday Night Fevers. Eingeleitet wurde dies schließlich von keinem geringeren als Danko Jones. Mit „Code of the road“ ging es los und nach und nach gab Danko einen guten Queerschnitt durch alle Alben, die bis jetzt das Licht des Tages erblicken durften. Sympathisch wie eh und je gab es Knaller wie „Never too loud“, „Dance“, „I love living in the city“, „Sticky situation“, „First date“ oder “Lovercall” auf die Ohren. Staunende Männer, schmachtende Frauen. Dankos Konzept war wieder einmal aufgegangen. Bei Psychopunch gönnte ich mir eine kurze Pause um schließlich wieder für die großartigen Turbo AC´s vor der Bühne zu verweilen. Was soll man sagen? Astreiner, souveräner Auftritt und viele Songs von der Avenue X - Platte machten den Auftritt für mich perfekt. Um kurz vor 3 ging es schließlich zurück zum Zeltplatz. Dieser hatte sich mittlerweile zu einem amüsanten Hindernisparcour rund um betrunkene Besucher entwickelt. Szenen wie beim Karneval gab es zu bestaunen.
Am Sonntag stand für mich dann persönlich der erste große Knaller auf dem Programm. H20 spielten um 15.30 Uhr eine ihrer wenigen Shows in Deutschland und die konnte ich mir nicht entgehen lassen. Das Hardbowlzelt war mäßig gefüllt, als es schließlich mit „1995“ losging. In 35 Minuten wurden mit „Nothing to prove“ und dem großartigen „What happened“ vor allem Lieder von der neuen LP zum Besten gegeben. Aber auch Tracks wie „Faster than the world“ und dem wahnsinnigen „Friends look out for me like family“ fanden ihren Platz in der Setlist und machten das Konzert für mich persönlich zu einem der Besten des Festivals.
Um 19 Uhr folgte für mich dann mein zweites persönliches Highlight: Die Hardcorelegende Slapshot aus Boston gab im Hardbowlzelt eine ihrer raren Shows und der Andrang war wie zu erwarten sehr groß. Eine Stunde lang jagte Sänger Choke die vielen Hits der Band durch die Amps und vor der Bühne ging es heiß her. Alte Herren, aber immer noch in einer beeindruckenden Form. Mit „Hang up your boots“ wurde das Set schließlich beendet und spätestens da gab es in der Menge kein Halten mehr. Kollektiver Totalausfall.
Dank zwei lustiger Schweizer, die mich mit ihren amüsanten Anekdoten auf dem Zeltplatz festlaberten, verpasste ich im Anschluss Life of Agony und Biohazard. Zu der Cavalera Conspiracy war ich aber wieder pünktlich vor Ort, um mir den letzten Headliner des Wochenendes anzuschauen. Mit „Inflikted“ ging es um kurz vor 22 Uhr los und was folgte war ein beeindruckendes Zusammenspiel von Max und Igor Cavalera. Mit „Territory“, „Arise“, „Inner self“, „Propaganda“ und „Refuse Resist“ fanden auch einige Sepultura-Hits ihren Weg ins Programm. Besonders interessant war der Übergang vom Dead Kennedys-Cover „Holiday in Cambodia“ in den alten Seplutra-Schinken „Biothech is godzilla“. Zudem wurde mit „Wasting away“ auch ein großartiger Song von Nailbomb zum Besten gegeben. Zwischendrin fanden natürlich auch einige Tracks vom aktullen Cavalera Conspiracy Album ihren Platz im Set, den großartigen Abschluss bildete jedoch „Roots bloody roots“, der bekanntermaßen noch aus Sepultura-Zeiten stammte. Insgesamt ein unfassbar guter Auftritt der Cavalerabrüder und Anhang und zufriedene Gesichter verteilten sich in alle Himmelsrichtungen.
Wer Bock hatte, konnte mit Primordial, Moonspell, Ensiferum und Subway to Sally den Abend noch im Hardbowlzelt ausklingen lassen. Ich entschied mich jedoch für ein Nickerchen im Zelt, da die letzten 3 Tage und Nächte merkbar ihren Tribut gezollt hatten.
Die Abreise am nächsten Tag verlief durchweg ohne Zwischenfälle und im Gedächtnis bleibt ein absolut brilliantes Wochenende in Löbnitz. Viele gute Bands, sehr sympathische Menschen auf den Zeltplätzen und keinerlei (von mir) bemerkter Zwischenfälle. Großes Kino, Full Force!
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